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Herbstwetter.
Der Himmel ist hellblau und befüllt mit üppigen, grau-weißen Wolken. Ab und an lassen die Wattehaufen ein paar herbstlich goldene Sonnenstrahlen hindurch.
Als ich heute aus dem Fenster schaute, entdeckte ich die ersten gelben Blätter an einem Baum in der Nähe der Schule. Das satte Gelb strahlte eine nostalgische Wärme aus und ich bin seit jenem Moment in einer richtigen Endjahresstimmung.
Endjahresstimmung bedeutet Weihnachtsstimmung. Ich weiß, ein merkwürdiger Sprung, aber ich hätte jetzt einfach Lust mit einem Mantel und unendlich langem Wollschal durch die Stadt zu hetzten, auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken und in jedem Geschäft die gleichen, jedes Jahr wiederkehrenden Weihnachtssongs mitzuträllern, während ein herrlicher kalter Glühweinduft in der Lust schwebt und jede Fassade mit Lichtern und Weihnachtsbäumen geschmückt ist.
Schöne Vorstellung, aber es dauert wohl noch eine Weile, bis der erste Schnee fällt.

Gestern hatte meine ehemals beste Freundin Geburtstag. Trotz allen Vorfällen der letzten Jahre (viel zu lange Geschichte um sie zu erzählen, um sie zusammenzufassen: Wir haben uns entfremdet) habe ich, wie auch sämtliche Jahre zuvor, ihr pünktlich zum Geburtstag ein Päckchen besorgt.
Als ich sie sah, bemerkte ich, dass ich nicht die Einzige war, die sie beschenken wollte. Sie hatte bereits zwei Tütchen und eine andere Box in der Hand und ich drückte ihr meine unbedeutende Box in die vollen Hände. Sie öffnete sie und freute sich.
Sie muss wahrscheinlich sehr glücklich gewesen sein, dass sogut wie jeder in ihrem Freundeskreis ihr ein kleines Present vorbei gebracht hat.
Für einen winzigen Moment war ich von einer unedlich tiefen Trauer heimgesucht worden, als mir plötzlich bewusste wurde, dass die Menschen um sie herum, die einst auch zu meinem engeren Freundeskreis angehörten, meinen Geburtstag nie so ernst nahmen. Es war seit Jahren so, dass mindestens zwei von ihnen diesen Tag vergaßen, oder nur halbherzig gratulierten (indirekt über eine Nachricht auf facebook oder eine SMS).
Ich habe Tage, Wochen und Monate damit verbracht enttäuscht und traurig zu sein. Ich verstand nicht, wieso sie nicht sahen, wie wichtig mir eine klitzkleine Geste an diesem einen Tag war, und auch nicht, wieso dieselben Personen sich gegenüber anderen so anders vehielten.
Letztendlich wusste ich, dass Ich allein an dieser Entwicklung Schuld war. Verzweifelt suchte ich aber nach der genauen Ursache; War ich nicht nett genug? Nicht fürsorglich genug? Vielleicht zu aufdringlich? Nicht so wichtig wie manch anderer?
Ich stellte mir selbst die absurdesten Unterstellungen und machte mir schlimme Vorwürfe, im Glauben, dass ich mich dadurch so ändern könnte, dass man mich mehr beachtet und als Freund schätzt.

Natürlich habe ich es bin heute kaum geschafft mein essentielles Wesen zu verändern. Sicherlich habe ich mich verändert, aber anscheinend immer moch nicht genug für meine Mitmenschen.

Ich sah sie also an, wie sie strahlte, als sie die CD von Kings of Convenience auspackte (meine absolute Lieblingsband) und versuchte an ihrer Freude teilzuhaben.
Ich drehte mich danach um und versuchte nicht an die Geschenke zu denken, die sie im Laufe des Tages noch von Menschen erhalten sollte.

Nicht, dass man mich hier missversteht.
Ich bin kein materieller Mensch und ich halte nichts von überteuerten Geschenken.
Auch geht es mir gar nicht darum, etwas in den Händen zu halten.
Es geht mir bei all diesen Presenten um die Geste, dass man nicht vergessen wurde.
Manchmal versinke ich in einem tiefen Loch der Frustration und Depression, weil ich plötzlich feststelle, dass es kaum Menschen in meiner Umgebung gibt, die so oft an mich denken, wie ich tatsächlich an sie. Aber was verlange ich da ?
Ein Freund ist für mich der, der zeigt, dass er mich als Mensch schätzt. Ob er das zeigt, indem er meinen Geburtstag nicht vergisst, oder sich ab und an mal meldet oder mich überrascht ist so ziemlich egal.
Das erklärt auch, weswegen meine Geschenke an materiellem Wert gesehen keinen hohen besitzen. Den größten Teil erstelle ich selbst, wobei das Schönste an meinen Geschenken immer die Karte ist, die ich immer Tage vorher erstellt habe. Sie macht den persönlichsten Teil aus, denn keine gleicht der anderen. Die restlichen Dinge sind so zusammengelegt worden, dass sie irgendeine kleine Geschichte erzählen. Sei es eine Erinnerung an die guten alten Zeiten oder eine Anspielung auf etwas sehr Lustiges.

Ich habe nie erwartet, dass man an mich denkt. Gut, von der ehemals besten Freundin, die gestern Geburtstag hatte, habe ich es immer erhofft, und vergessen hat sie mich noch nie.
Sie war und ist jedoch eine der wenigen, die meinen Geburtstag nicht aus dem Auge verlieren.
Es ist stiller geworden um uns. Es muss ein halbes Jahr oder gar länger her sein, dass wir wirklich etwas unternommen haben.
Sie hat inzwischen andere engere Freundinnen, denen sie ihre Fürsorglichkeit teilt. Ich spiele in ihrem Leben schon lange keine bedeutende Rolle mehr.
Manchmal wünschte ich, dass wir uns immer noch verstünden. Ich bin nach wie vor dieselbe. Gut, vielleicht kann man mir nicht bis zum Hahnenschrei saufen, und rauchen tue ich auch nicht, an Party ist also nicht zu denken, aber für den Rest bin ich zu haben. Ich vermisse die Spaziergänge mit ihr im Wald, wo sie sich aussprechen konnte, die Abende, an dem ich auf ihrer Couch saß und wir geschwiegen haben oder wir zur Dämmerung an ihrem Teich saßen.
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Seit diese Freundschaft quasi zerbrochen ist, sind für mich die Begriffe Vergänglichkeit und Resignation erst richtig bewusst geworden.
Ich habe nun akzeptiert, dass wir eine schöne Zeit hatten und diese nun rum ist.
Ich habe auch akzeptiert, dass die Menschen, mit denen sie nun verkehrt, ganz anders sind als ich.
Und ich habe begriffen, dass es überhaupt nichts bringt, solchen Zeiten und Menschen hinterher zu heulen.

Ich bin nicht auf der Suche nach einem neuen besten Freund. Manchmal wünschte ich mir ein Ohr, das immer da ist, wenn es wieder aus mir heraussprudeln muss. Ich bin mir sicher, dass ich den guten Freunden im Leben noch begegnen werde.
Menschen, denen ich also neu begegne bin ich offen genug um zu sehen, ob sie es Wert wären weiter Kontakt zu halten und verschlossen genug, um nicht noch ein weiteres Mal enttäuscht zu werden.
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In letzter Zeit schaffe ich es nicht, die Tränen zu unterdrücken.
Gestern Nacht habe ich die Decke über meinen Kopf gezogen und leise die Tränen kullern lassen.
Der Grund war meine Mutter. Irgendwie tat es weh zu sehen, dass meine eigene Mutter mir nichts zutraut. Selbst von den einfachsten Dingen ist sie der festen Überzeugung, dass es bei mir schief geht, weswegen ich es gar nicht erst probieren sollte.
Dabei probiere ich sehr gerne, und sobald sie mal aus dem Haus ist, beginnt für mich eine ruhige Phase, in der ich ihr zeigen kann, dass ich es doch kann.
Schließlich findet sie doch noch einen Fehler, den sie dann mit ihrer Moralpredigt wieder so groß macht, dass ich mich letztendlich wieder unfähig fühle.
Wer weiß, vielleicht ist ihre Haltung ein Grund, weswegen ich sehr stark an mir selbst zweifle und ab und an Minderwertigkeitskomplexe habe.
Selbst wenn ich eine Sache mal 'gut' gemacht habe, gibt es kein befreiendes Lob, sondern wieder Kritik. Sie schafft es immer wieder die ganze Situation so hinzudrehen, dass es schlecht ist.
Ich habe nichts gegen Krititk. So kann ich mich natürlich bessern.
Aber wenn man ein ganzes Leben lang kiritisiert und auf gut Deutsch runtergemacht wird, und nie ein Lob erhält, fühlt man sich einfach nur noch überflüssig.

Warum bin ich eigentlich da?
Wenn ich vergessen werde und als Fehler angesehen werde?

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